Profitieren Sie aus dem digitalen „Recruiting Mindset“ -Frank Rechsteiner
Herr Rechsteiner wie würden Sie den Status des Recruitings in Deutschland im Hinblick auf „Digital Fitness“ beschreiben?
Beim Digitalisierungsgrad in der Personalgewinnung zeichnet sich ein deutliches Gefälle zwischen Großunternehmen und Mittelstand ab. Das hängt mit den unterschiedlichen Recruiting-Anforderungen zusammen. So setzt die Konzernwelt bereits flächendeckend auf Algorithmen, um die Vorauswahl massenhaft eingehender Bewerbungen zu vereinfachen. Kleine und mittlere Unternehmen hingegen kämpfen mit dem Problem, immer weniger Bewerbungen zu erhalten. Für sie steht der persönliche Kontakt mit den Kandidaten im Vordergrund. Doch sollte auch der Mittelstand schleunigst umdenken und das Potenzial IT-gestützter Recruiting-Verfahren erkennen – etwa wenn es um die aktive Recherche und Ansprache interessanter Bewerber auf einschlägigen Online-Kanälen geht.
Was muss sich in der Personalgewinnung ändern, um den weltweiten Wettbewerb um die besten Mitarbeiter langfristig zu gewinnen?
In Deutschland stehen die Arbeitgeber vor der Aufgabe, ihre Einstellung zum Recruiting grundlegend zu ändern. Sie müssen erkennen, dass die Macht der Personalentscheidung nicht mehr bei ihnen, sondern beim Kandidaten liegt. Damit einher geht die Einsicht, dass es neuer Recruiting-Methoden bedarf. Personalgewinnung muss zur ganzheitlichen Unternehmensaufgabe werden, die von der Geschäftsführung getragen wird. Arbeitgeber müssen herausfinden, welche Alleinstellungsmerkmale und Unternehmenskultur sie bieten, und diese glasklar nach außen kommunizieren.
Welche Anforderungen muss ein Recruiter heute erfüllen, um künftig erfolgreich zu sein?
Wie in meinem Buch ausgeführt, ist dazu ein Rollenwechsel erforderlich – vom bloßen Auftragserfüller der Fachabteilungen müssen Recruiter sich zum Brückenbauer zu den Kandidaten entwickeln. Sie brauchen Verkaufstalent und verstehen sich auf die Vermarktung von Vakanzen, wie es die Sales Manager im Bereich von Produkten und Dienstleistungen tun. Sie pflegen enge Kontakte zu den Fachbereichen, um als Business-Versteher wirken und die Stellenanforderungen nach außen kommunizieren zu können. Sie begreifen Recruiting als Teamarbeit und treffen Personalentscheidungen nur in einer Gruppe, der auch Fachkolleginnen und -Kollegen angehören.
Welche Ziele und KPI´s verfolgen erfolgreiche „Digital Mindsetted Recruiter“?
Ein erfolgreicher Recruiter weiß, dass sich Chatbots, Künstliche Intelligenz und Algorithmen für zeitraubende Routine-Aufgaben in der Personalfindung eignen. Er nutzt Big Data und Predictive Analytics zur Aggregation und Darstellung von Bewerberdaten, um objektive Entscheidungen treffen zu können. Er setzt auf Mobile Recruiting-Angebote und One-Click-Bewerbungen, um Stellenanzeigen auf Endgeräten bereitzustellen und den Zeitaufwand für die Kandidaten zu minimieren. Er führt Programm Job Advertisting ein, um die Bewerber-Reichweite zu potenzieren. Jeder erfolgreiche Recruiter weiß aber auch, dass trotz aller technischen Möglichkeiten weiterhin der direkte Kontakt mit den Kandidaten zählt und persönliche Personalentscheidungen getroffen werden müssen.
Wie begeistert man Kandidaten der Zukunft für Unternehmen und Positionen?
Firmen sollten aufhören, mit Selbstverständlichkeiten wie flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice für sich zu werben – ganz zu schweigen vom Tisch-Kicker und Obstkorb im Büro! Erfolgreich ist das Recruiting nur dann, wenn sich die Unternehmenskultur messerscharf von der Konkurrenz unterscheidet. Denn warum sollte sich ein Kandidat für ein Unternehmen entscheiden, das die gleiche oberflächliche Selbstdarstellung pflegt wie alle anderen? Zudem hilft die Klarheit über Werte und Einstellungen, genau die Mitarbeiter zu finden, die kulturell zur eigenen Firma passen – ob es um die Ansprüche eines Kandidaten an die individuelle Karriere- und Familienplanung oder den Umfang der betrieblichen Mitbestimmung geht.
Fazit
Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel und Fachkräftemangel heißen die großen Strömungen, die den Arbeitsmarkt längst in einen Arbeitnehmermarkt verwandelt haben. Unternehmen müssen ein neues Recruiting Mindset entwickeln, um bei der Personalfindung nicht abgehängt zu werden. Zu den zentralen Bausteinen zählen innovative Recruiting-Strategien und -Methoden, ein verändertes Rollenverständnis der Recruiter sowie „Digital Fitness“ bei den Bewerbungsprozessen. Zudem müssen Unternehmen eine Arbeitgebermarke und Arbeitskultur entwickeln, die sich deutlich vom Wettbewerb abhebt und auch die Top-Kandidaten begeistert.